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6. Nov 2021 | Wie ich plötzlich mitten in einer Familienzeremonie saß und keinen Schimmer davon hatte.

Die Morgensonne blitzt durchs staubige Autofenster. Lopburi ist ruhig und auf den Straßen bereiten sich kleine Essensstände auf den Tag vor. Ein Mönch trottet verschlafen den Gehsteig entlang. Ich habe mich noch immer nicht ganz daran gewöhnt, dass wir auf der völlig falschen Straßenseite fahren, aber was solls. Wir sind alle etwas schläfrig, Mali döst noch hinten auf der Rückbank. Wir rollen am Hof von Sureena’s Familie ein und stapfen in die Holzhütte. Dort sind alle schon fleißig, mehrere Töpfe voll mit Essen stehen auf dem großen Holztisch, jeder Kocht oder schneidet etwas. Ich höre meine Gedanken, „was für ein Aufwand für ein Frühstück!“, und ehe ich mich versah wurde ich auf ein Mopet gesetzt, zusammen mit einem jungen Thailänder der keinen brocken Englisch sprach. Später erfuhr ich, dass der Junge eigentlich ein Mädchen ist, aber das Thema Trans wird hier in Thailand sehr viel offener betrachtet als bei uns. Sureena drückt mir einige Baht in die Hand, „Kauf dir einen Kaffee, den wirst du brauchen heute! Unser Frühstück verträgt dein Magen nicht.“ Und ja, hier fiel das Frühstück wie ein Mittagessen aus, mit Suppe, Reis, und ganz viel Scharf. Noch immer wusste ich nicht ganz genau, was heute auf dem Plan steht, aber ich würde es sicher noch herausfinden.

 Der Junge chauffierte mich souverän zu einem „Cafe Amazon“, und wir würden in dieser Kaffeehaus-Kette in Zukunft noch sehr viele Käffchen genießen. Ich glaube es war so etwas ähnliches wie ein Starbucks, nur um Längen billiger. Der Junge setzte mich ab, deutete auf die Tür und ging weg. Ok. Das heißt wohl hol dir einen Kaffee solang ich weg bin. Nach 15 Minuten holte er mich wieder ab, und wir fuhren wortlos zurück zum Haus. Ich filmte die Fahrt mit meinem Handy, hatte mir meine beste Freundin doch vor Antritt der Reise noch klar verboten, mich ohne Helm auf so ein Zweirad zu setzten. Naja Upsi. Aber seht ihr, auch ohne Worte kann man einen kleinen Ausflug machen.

Wieder am Haus angekommen huschte unser Tüten-Träger vom Vortag zum Nachbarhaus, erst jetzt verstand ich dass die umliegenden Häuser alle den anderen Familienmitgliedern gehörten. Er bog mit einem alten Pickup aus der Einfahrt, und Sureena klatschte entzückt in die Hände. Das war Sureenas Wagen. Ich rechnete wie lang sie schon in Österreich war du blickte auf das Auto. Es musste weit über 20 Jahre alt sein.

Wir wurden abermals alle in den Pickup gestopft, zusammen mit Töpfen und Literweise Saucen und Reis. Sureena legte mir ein Tuch um die Tailie, das solle ich mir im Tempel umlegen. Tempel. Okay. Wir fahren zu einem Tempel.
Sureena’s Mama setzte sich hinters Steuer und so tuckerten wird los. Sureena erklärte mir unter der Fahrt wohin wir eigentlich fuhren und was genau der Plan war.

Die Familienzeremonie im Tempel
Wir sind auf dem Weg zu einer Zeremonie die für die verstorbenen Verwandten von Sureenas Familie ausgerichtet wird. Das ganze Essen das gekocht wurde ist unter anderem für die Mönche. Das ist üblich hier, Mönche bekommen ständig Geschenke in Form von Essenspaketen, Blumen oder Geld. Im Gegenzug bekommst du ein Gebet. Ich hatte gemischte Gefühle, später auf unserer Reise beobachtete ich immer wieder Menschen die an den Ständen diese Essenspakete kauften um sie den Mönchen zu schenken, schauten sie doch aus als hätten sie die Lebensmittel selbst dringender gebraucht. Aber so ist eben Glaube, und das, obwohl ich den Buddhismus eigentlich als eine der friedlichsten und fairsten Religionen sah.
Ja super. Wir fahren zu einer Familienzeremonie. Und ich Weißbrot mit meiner Kamera bin mal wieder mittendrin. Toll.

Die Fahrt war wirklich lang, als wir schließlich am Tempel ankommen. Aus den angebrachten Lautsprechern am Hof dröhnen schon Gesänge wie man sie aus den Filmen kannte, am Hof vergnügte sich ein Mönch auf einem Motorrad mit Beiwagen. Ich schwinge das Tuch um meine Hüften, klar hatte ich wieder eine zu kurze Hose an, und betrat den Tempel. Überall hängen kleine Figuren, alles ist bunt, Mönche scheinen überall zu relaxen. Die Familie schwärmt sofort aus um an verschiedensten Stationen zu Beten und Geld niederzulegen. An eine der Stationen kann ich mich noch ganz genau erinnern. Es war ein Glas-Sarg mit einem Menschen drin. „Der da drin ist aber nicht echt!“ Sureena schaut mich an und nickt nur. Klar liegt da ein Toter. Ich hab kein Foto gemacht.

Wir gehen wieder raus und drehen eine Runde hinter dem Tempel, alle gemeinsam, weil ich gehöre ja jetzt schon irgendwie dazu. Wir kommen zu einem Fluss, und Sureenas Mama erklärt dass sie in dem Haus am anderen Ufer aufgewachsen ist. Manchmal sind sie einfach geschwommen sagt sie, um schneller voran zu kommen, oder ans andere Ufer zu gelangen. Überall laufen junge Tiere herum, bei den kleinen Hunden bekam ich sofort Heimweh nach meiner Töle daheim, wohlwissend, dass ich sie nicht alle mit einpacken konnte.

Als plötzlich Elektronische Musik aus den Lautsprechern dröhnt (also solche die man bei uns in Clubs hört, nur ein bisschen mehr tahiländisch) haue ich final alles an gesammeltem Wissen über den Haufen. Dafür hat auch keiner der anderen eine Erklärung.

Im Tempel setzen wir uns auf den Boden. Die Mönche strömen herein, und das Gebets-Gesäusel beginnt. Es klingt für mich immer gleich, und ich glaube, das ist es auch. Alle beten mit und verbeugen sich auf dem Boden, und ich glotze nur blöd. Klar verstehe ich kein Wort, aber auch sonst bete ich in der Kirche nicht mit, ich bin nicht gläubig.

Die Zeremonie und das Gesäuselt dauert an, und plötzlich welchselt die gesamte Truppe ins Nebengebäude, wo etwas anderes gebetet wird. Danach werden im Haupthaus die Töpfe ausgebreitet, den Mönchen wird Essen gebracht das sie an Ort und Stelle verspeisen. Auch wir bekommen etwas davon. Ich setzte mich neben Mali, die schonwieder ohne Thailändisch zu können die anderen Jugendlichen unterhält. Endlich Essen. Ich glaube die Hitze frisst langsam meinen Verstand.

Ich kann euch von der Zeremonie selbst leider nicht viel erzählen, ich wollte Sureena auch nicht ein Loch in den Bauch fragen weil sie die Zeit mit ihrer Familie so genießen zu schien. Sie hat mir nur kurz die Leute vorgestellt die mich aus den gerahmten Bildern anschauten, das waren ihre Großeltern und ihr Papa, der früh gestorben ist. Für sie wurde heute gebetet. Ich schaue auf die Bilder, falte meine Hände und verbeuge mich davor. Das ist die einzige Geste mit denen ich mich hoffentlich bei ihnen für die schöne Zeremonie bedanken kann.

Wenn ihr zu dem ganzen Tag auch filmisch etwas sehen wollt kann ich heuch mein Youtube-Video zur Kochen und der Zeremonie hier empfehlen:

Wir sitzen wieder im Pickup und fahren zu einem Markt. Wo genau wir sind weiß ich mal wieder nicht. Ich suche für den Beitrag viele Orte einfach nur mit der Google Rückwärts-Suche und hoffe dass mir der richtige Ort ausgespuckt wird. Diesmal hab ich aber auch ein Video gedreht und wir befinden uns in Ayutthaya auf dem Vintage Markt. Besonders ist hier dass eine riesige Statue des Mönchs Luang Pu Tuad steht. Am besten schaut ihr euch einfach das Video dazu an:

Wieder im Auto fahren wir erschöpft nachhause. Für heute steht nichts mehr auf dem Plan außer gemeinsam Essen.  

TRAVEL TIPP:

  • Ihr solltet wirklich nicht ohen Helm Mopet fahren. WIRKLICH NICHT.
  • Manchmal spricht man auch ohne Sprache ganz gut mit Anderen.
  • Streckt eure Fußsohlen in einem Tempel niemals Richtung Altar, das ist ein Zeichen von Respektlosigkeit. 
  • Packt euch in eure Tasche immer eine „Tempelhose“ (z.B. eine Culotte die ihr schnell überall drüberziehen könnt) oder ein Tuch das eure Beine bedecken kann. Ihr landet in Thailand schneller in einem Tempel als ihr manchmal glaubt. 
  • Denkt immer an Trinkwasser, und packt euch peinlich viel davon ein. An dem Tag hatte es 38 Grad und ich konnte die Kamera teilweise nicht mehr heben.
  • Kostet alles auf den Märkten, es schmeckt köstlich. Wenn viele Leute an einem Stand anstehen ist das ein Zeichen dass das Essen dort besonders gut schmeckt!
  • Finger immer noch weg von Eiswürfeln. Man kann ihnen immer noch nicht trauen.

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