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7. Nov 2021 | Der Bruder im Dschungel

Heute ist Reisetag. Das bedeutet ganz viel aus dem Autofenster schauen und die Landschaft studieren. Wie lange die Fahrt sein wird wurde mir erst im Nachhinein, als ich mir die Strecke auf Google Maps angeschaut hab, so richtig bewusst. Fast 10 Stunden. Gut, dass ich es vorher nicht wusste.

Wir stapeln uns wieder im Pickup, Sureena, ich, ihre Mama und deren Zwillingsschwester, Mali und Zigzag machen uns auf den Weg, bei beißenden 37 Grad. Über die Anzahl der Sitzplätze im Auto und die darin zu verteilenden Personen machen wir uns nun mal keine Gedanken, aber wer mitgezählt hat wird merken dass in Europa da irgendwo der Wurm drin wäre. Unser erster Stop ist an einer Tankstelle. Eine Mitarbeiterin kommt schon auf uns zu und nach einer kurzen Disskussion mit was wir unser Auto denn befüllen wollen wird unser Wagen von ihr getankt – bei laufendem Motor.

Richtig spannend ist dieser Reisetag eigentlich nicht, außer dass ich mir die Landschaft anschauen kann wie sie immer hügeliger und grüner wird.
Aus meinen Tagträumen reißt mich nur ein plötzliches Telefonat von Sureena, sie redet aufgeregt laut ins Handy und wedelt mit den Armen. Wir fahren auf den Seitenstreifen der Straße (also, in den Dreck) und halten hinter einem großen, schwarzen Pickup, aus dem ein Kopf mit Baseball-Cap herausschaut. Der schwarze Pickup nimmt Fahrt auf und wir folgen ihm auf einen schmalen Weg hinein in das Palmen-Dickicht. Erst jetzt löst Sureena die etwas suspekte Situation auf, „Das ist mein Bruder!“ Und diesmal war es wirklich ihr Bruder.

Wir rollen auf einen staubigen Platz, es stehen offene Hütten aus Wellblech und Holz links und rechts von uns, erst später werde ich erfahren, dass diese Buden zum Wohnen gedacht sind. Wir steigen aus und die gewohnt neckische Art sich zu Begrüßen ging voran, Sureena schreit ihrem Bruder entgegen und gibt ihm einen liebevollen Klaps auf die Schulter. Die Mama wird vom Bruder fest umarmt, und auch seine Tochter freut sich sichtlich über den Besuch. Sie ist modern gekleidet und eine richtig hübsche junge Frau.

Wir bekommen sofort eine Führung über die Farm und uns werden mit stolz die Lager voll mit Zitrusfrüchten gezeigt, die unter dem Wellblech dahinreifen. Wir betreten eine halb offene Holzhütte in der ein aufgebautes Zelt steht. Hier schläft der Bruder. Im „Nebenraum“ (es waren vier Wellbleche zu einem Raum geformt, aber ohne Dach) befindet sich eine Toilette. Naja, zumindest ein bisschen Privatsphäre.

Bevor wir alles angeschaut haben wird auf dem Boden vor der Hütte eine Decke ausgebreitet, auf der wir alle Platz nehmen sollen. Plastiktüten mit mitgebrachtem Essen werden auf einem bunten Mix an verschiedensten Tellern ausgeleert, es ist wohl Zeit fürs Mittagessen. Ich setze mich auf die Decke, und in meinem Hinterkopf flammt ein leises Stoßgebet an meine Mama auf, dass ich einen Großteil meiner Kindheit im Dreck wühlend verbringen durfte und der in frühen Jahren gebackene Staubkuchen mir nun mein Leben retten würde. Ich bin nicht zimperlich, aber das ist auch für mich eine ganz neue Mittagsessens-Situation.
So sitze ich nun da, mal wieder die einzige weiße Kartoffel zwischen lauter Thailand-Vollprofis, sogar die Tiere um mich herum haben mehr Ahnung. Trotzdem schlemmen wir wie die Weltmeister und alles ist mal wieder mehr als köstlich. Mit vollen Mägen führen wir unsere Farm-Tour fort.

Sureena’s Bruder lässt seinen ganzen Stolz an, er hat nämlich ein Boot gebaut, mit dem er gleichzeitig seine Bäume bewässern kann -die Plantage ist nämlich quasi im Wasser gebaut. Er startet das Boot und aus den Rohren im hinteren Teil spritzt plötzlich Wasser heraus in unsere Richtung, und ich höre mich nur denken, besser das Wasser mal nicht zu schlucken. Natürlich werden wir dann eingeladen eine Runde mit dem kleinen Boot zu drehen. So setzen wir uns brav in das Blechteil und schippern zwischen den Zitrusbäumen durch. Das war mehr als cool.

Die Plantage ist Kanalartig aufgebaut, sodass man eben mit den Booten zwischen den Bäumchen durchfahren kann um sie zu bewässern. Sureena’s Bruder lebt nur von der Farm und er weiß alles über seine Pflanzen, nur verstehe ich nur leider mal wieder nichts darüber. Zwischen den Mandarinenbäumen wächst aber noch alles mögliche andere an Gemüse, so entdecken wir zum Beispiel kleine Chilis am Boden der Plantage. Als wir alles gesehen haben fahren wir zurück ans Ufer und die Farmhelfer klauben uns unbeholfenen Klopse aus dem Boot heraus.

Wir bekommen anschließend  noch einen Blick auf das riesige Reisfeld hinter dem Haupthaus, Sureeena will unbedingt ein Foto von sich davor machen, sie ist nämlich mächtig stolz auf ihren Bruder und die hinter ihr sprießenden Pflanzen. Das alles hier ist mal wieder kaum unterschiedlich zu uns daheim, auch unsere Bauern und Bäuerinnen würden sicher so stolz auf ihr Land sein, und wenn es auch noch so klein ist.

Wir verabschieden uns langsam und mal wieder bin ich hier selbstverständlich verköstigt und herumgeführt worden, und zwei Mandarinen darf ich mir auch noch „ab Hof“ einstecken. Tatsächlich darf ich zum Schluss sogar noch ein Foto von beiden Geschwistern machen. Es ist für Sureena wieder ein Abschied auf ungewisse Zeit, aber sie trägt es mal wieder mit gewohnter Leichtigkeit. Eigentlich hat sie sowieso nie schlechte Laune.

Und so geht es für uns weiter Richtung Chiang Mai, etliche Stunden im Auto, bis wir schließlich im Dunkeln den Norden von Thailand erreichen.

TRAVEL TIPP:

  • Esst es einfach. Und vertraut Sureena’s Mama, sie füttert euch nichts schlechtes.

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