1./ 2. Nov 2021 | 4000 miles away from home
Ein leichter Griff auf meine Schulter lässt mich hochschrecken. “Fasten your seatbelts please! Fasten your seatbelts!”
Es ist stockdunkel in unserer Böing 7-was-weiß-ich-7, die Stewards und Steardessen wecken meine Mitreisenden. Mich brauchen sie nicht zu wecken, ich bin hellwach – dank Turbulenzen werde ich nämlich gefühlt durchs halbe Flugzeug geworfen. (Wie gesagt, gefühlt.) Wir befinden uns irgendwo über dem Indischen Ozean, in 10.000 Metern Höhe. Nur wenige Dinge im Leben finde ich schlimmer als Fliegen, aber Fliegen im Dunkeln mit Turbulenzen hat es gerade auf die Bestenliste geschafft. Mein Gleichgewichtssinn hat sich längst verabschiedet, vielleicht fliegen wir schon längst kopfüber, keine Ahnung.
Die Menschen schnallen sich an, lehnen sich zurück und schlafen ruhig weiter. Dass ich mich anschnallen soll braucht man mir nicht zu sagen, ich bin ohnehin mit allen Vieren in meinem Sitz eingespreitzt. Ich versuche mich auf den Bildschirm vor mir zu konzentrieren – schaffe es aber nicht den Gedanken beiseite zu schieben, wie sehr ich Fliegen hasse. Nur noch 10 Stunden, dann landen wir, denke ich. Welch beruhigender Gedanke.
2. Nov 2021|
Der Flughafen ist leer. Genau so wie unsere Maschine ab Phuket leer war. Die Coronasituation hat die letzten zwei Jahre die Einreise von Tourist:innen nur unter zweiwöchiger Quarantäne zugelassen, seit dem 1. November ist diese Regelung weggefallen. Ich bin die einzige weiße Person weit und breit.
Nach einigem Papierkram und Kommunizieren mit Händen und Füßen sind wir schließlich auf dem Weg Richtung Ausgang. Als ich meinen Fuß aus dem Flughafen ins Freie setzte, wurde mir erstmal eine Welle aus Hitze mitten ins Gesicht geklatscht. Ach du heilige! Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich hab das Gefühl als würden die Sohlen meiner Schuhe am Asphalt schmelzen. Gut, dass ich drei lange Hosen eingepackt habe – die werde ich nicht brauchen.
Von einer in Plastik gehüllten, sehr freundlichen jungen Dame werden wir zu einem Sammeltaxi geführt. Auf Schritt und Tritt werden wir gelotst, damit wir auch ja im Taxi landen und nicht entwischen. Einen Tag müssen wir nämlich noch in Quarantäne verbringen, so lange bis wir ein negatives PCR-Testergebnis haben.
Das Taxi ist der erste Eindruck, den ich von dieser völlig neuen, fremden Welt bekomme. Ich habe Europa noch nie verlassen und bin erstaunt, wie sehr meine erste Begegnung meine Vorstellungen über Thailand bestätigt: Das Taxi ist bunt mit aufwendigen Bordüren, vom Rückspiegel baumeln zahlreiche Talismane, Buddha sitzt auf dem Armaturenbrett und schaut aus der Windschutzscheibe. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich schon die verrücktesten Konstellationen wie man ein Fahrzeug mit Menschen oder Dingen beladen kann, unwissend, dass ich in den weiteren drei Wochen noch verrücktere dieser Zusammenstellungen sehen werde.
Im Quarantänehotel angekommen werden wir durch die leeren Gänge geschoben, hinein in ein Zimmer. Hinter mir fällt die Tür ins Schloss. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was die Frau in Plastik zu mir gesagt hat. Ich blicke aus dem riesigen Fenster und realisiere zum ersten Mal: Meine Güte, du bist am anderen Ende dieses Erdballs. Und hier ist es ziemlich heiß. Mein erster Griff geht zur Fernbedienung der Klimaanlage, mein zweiter dreht die eiskalte Dusche auf.
Kurz darauf klopft es auch schon an der Tür, und meine erste Mahlzeit steht warm eingepackt davor. Ich erinnere mich, wie ich sorgfältig alles aussortiert habe, was roh und nach Gemüse ausgesehen hat und werde mich daran erinnern, wie egal mir das zum Ende unserer Reise hin geworden ist, als ich fast alles einfach gegessen habe.
3. Nov 2021 | Das gefühlt erste richtige Thai Essen in Thailand aka. “die Feuerprobe”
Wir sind auf dem Weg zurück nach Bangkok, bei unserer Herfahrt habe ich nämlich garnicht gemerkt, dass wir die Hauptstadt verlassen haben. Je tiefer wir in die Millionenstadt kommen, desto verrückter finde ich die Gebäude, Straßen und Gefährte. Ein kurzer Gedanke geht heim zu meinem etwas altersschwachem Auto, dass hier in Thailand locker noch zehn Jahre sein Pickerl bekommen würde. Ich scheine in wenigen Stunden in einer komplett anderen Welt gelandet zu sein – und ich liebte es!
Nachdem wir unser neues Hotel bezogen und ich ein Foto von meinem neuen Ausblick auf Betonhäuser nachhause geschickt habe, das mein Papa charmant mit “schiach” kommentiert hat, haben wir uns auf Erkundungstour begeben. Ich war völlig perplex, dass man hier einfach überall Essen bekommt, und die ganze Straße danach duftete. Alle riefen durcheinander, und ich hab mich sofort wohlgefühlt. Während meiner gesamten Reise habe ich mich immer an diesen ersten Abend erinnert, und ich bekomme noch heute ein warmes Gefühl ums Herz wenn ich daran denke.
Wir haben unser erstes Abendessen (und somit auch meine Feuerprobe) in einem kleinen Straßenrestaurant bestellt, und ich habe selten etwas so leckeres und sauscharfes zu Essen bekommen, für umgerechnet ein paar Euro. Ich habe meine ganzen Sorgen über Lebensmittelvergiftungen über den Haufen geworfen weil ich ohnehin das Gefühl hatte, dass die Schärfe meinen ganzen Magen ausgebrannt hatte und kein Keim mehr darin überlebensfähig wäre. Übrigens, Survivaltipp am Rande: Ein Schnapserl vor und nach jeder Mahlzeit. Ich hatte während der gesamten drei Wochen kein Problem mit dem Verdauungstrakt, welchen Zufällen auch immer ich das zu verdanken hatte. (Der Zufall hieß Sureena und hat mir einen Flachmann mit Schnaps auf meiner Packliste verordnet – Danke Sureena!)
Und Finger weg von Eiswürfeln Leute, denen kann man nicht trauen.